Artikel aus "Evangelisches Gemeindeblatt" vom 09.06.2002; "Aus der Geschichte unserer Heimat"
Ein Taubenpreskelner Orginal
Vor 150 Jahren etwa hat der starke ZIMMERMANN gelebt. Der Bauer HERMANN ROTHE, der über 40 Jahre Bürgermeister im Orte war, hat ihn als Nachbar erlebt. Der Altbauer Louis BAUMGÄRTNER wusste noch viel von ihm zu erzählen.
ZIMMERMANN stammte aus Seifersdorf und bewirtschaftete FUCHSens Gut. Er war außerordentlich stark und breitschultrig, knochig und groß. Sonntags wie Wochentags trug er eine lederne Hose und Socken. Seine Waden waren Sommer wie Winter nackt. Sein Socken war so groß, dass er ein Maß Kleie fasste (fünf Pfund).
Dementsprechend war auch sein Appetit! Ein Bauernbrot aß er zur Not auf seinem Niedersitz. Mit seinem Bruder trank er einmal beim BÖHMS AUGUST sechs Kannen Schnaps, eine Kanne fasste bald einen Liter. Seine überragenden Kräfte machten ihn bald in der ganzen Umgebung bekannt und waren oft der Gesprächsstoff in dem Wirtshaus.
Einem Fuhrmann, der nach Lietzsch wollte, half er einmal den Berg hinauf. Der Fuhrmann freute sich über seine Hilfeleistung und forderte die Wirtin auf, dem Helfer ein Mittag zu kochen. Die Wirtin holte zwei Eimer voll Kartoffeln aus dem Keller, stellte die Backmulle zurecht und zwei große Töpfe mit Wasser auf den Ofen. Der Fuhrmann verwunderte sich über ihr Tun und fragte nach ihrem Vorhaben. Sie meinte, dass er doch Mittagessen für ZIMMERMANN bestellt habe, und will Klöße für ihn machen, der brauchte ein paar Töpfe voll. Nun wusste der Fuhrmann, dass ihm die Hilfe nicht ganz so billig zu stehen kam
So stark war er, dass er zwei Scheffel Getreide in zwei Säcken (je 170 Pfund) vom Boden weg in die Höhe hob! Auf Grund seiner Bärenkräfte wettete er gern und verdiente sich so oft seine Zeche. Im "Grünen Baum" in Liebschwitz schloss er eine Wette ab, drei Scheffel Getreide auf seinem Rücken nach Hause zu tragen. Nur zwei Bedingungen machte er sich aus. Man musste ihm beim Aufheben behilflich sein, und bei ZIMMERMANNS Wiese soll man ihm eine kurze Ruhepause gönnen. Man half ihm, einen Sack auf die linke Schulter, einen auf die rechte und den dritten quer auf diese drauf. So lief er mit seiner Bürde (über fünf Zentner) den Leichenweg hinauf bis zur ausgemachten Wiese, ruhte aus und trug seine Säcke vollends heim.
Ein anderes Mal holte er Düngesalz in der Saline. Die Salinenarbeiter wunderten sich über die großen Säcke, die er mitbrachte und fragten ihn, wer die gefüllt aufladen soll. Er meinte, wenn sie es sich nicht zutrauten, macht er es eben allein. Sie glaubten ihm nicht und versprachen dem Großsprecher, dass er sein Salz umsonst haben soll, wenn er es fertig brächte. Die Arbeiter machten die Säcke anständig voll. Er würgte sie allein auf den Wagen, setzte sich darauf und fuhr mit seinem billigen Salz still vergnügt nach Hause.
Ein anderes Mal kehrte er vom Viehmarkt in Gera betrübt nach Hause; er wollte seinen zweijährigen Ochsen an den Mann bringen, konnte ihn aber nicht verkaufen. So kehrte er in seiner Stammkneipe, in der Wasserkunst, ein und trank einige Maß. Dabei kamen die Gäste auf seine besonderen Kräfte, auf seinen großen Appetit und auf viel Heringe zu sprechen. Nach einigem Hin und Her war das Ende der Unterhaltung die Wette um einen Hektoliter Bier! Er und noch einer sollten eine Tonne Heringe verzehren! Er wagte die Wette, ließ sich die Heringe bringen, kippte sie in einen Backtrog, las zwei schöne aus, die ihm die Wirtin zubereiten musste. Den Trog aber ste]lte er seinem Ochsen hin. Und siehe, der fraß mit Wohlbehagen sämtliche Heringe auf. ZIMMERMANN hatte die Wette gewonnen und den Hektoliter gab`s zum Besten nicht auf seine Kosten. - Auf dem Heimweg um Mitternacht hatte der Ochse einen Mordsbrand. Beim Mühlgraben konnte er ihn nicht mehr halten. Er drängte hinab zum Wasser und soff und soff. Da wurde es dem Bauern doch etwas angst dass er zuviel saufen könnte. Er stieg hinab in das Wasser und hob Schritt für Schritt seinen Ochsen aus dem Graben. Jetzt hatten beide ihren Durst gelöscht und wanderten der Höhe zu.
Zu den früher üblichen Kellereien wurde er öfter geholt. Er schlug die Köpfe zusammen, riss sie wieder auseinander und räumte dann allein aus. Eigentlich war er ein sanfter Mensch, aber das Hineinreden beim Skat konnte er nicht vertragen. Einen Drucker von HIRSCHENS setzte er deswegen einmal so auf seinem Stuhle zurecht, dass der Stuhl gleich alle vier Beine spreizte.
Viele kleine Episoden ließen sich noch erzählen. Alt ist er nicht gewordenr um 1870 soll er gestorben sein, trotz seiner überstarken Natur. Seine Mutter überlebte ihn sogar. Sie wunderte sich darüber, dass so ein Mensch es sich gefallen ließ, tot zu sein und zu bleiben. Er war unverheiratet nur von seinen Kräften wird heute ab und zu noch erzählt.
Quelle: Wohin in Gera, ca. 1955.