Aus „Neues Gera“ vom 30.Juli 2004 - auszugsweise
In Liebschwitz schlossen Thüringen und Sachsen einen Staatsvertrag
Liebschwitz
Amtshauptmannschaft Werdau
Kreishauptmannschaft Zwickau
Etwa so müsste das Ortseingangsschild der ehemals eigenständigen Gemeinde Liebschwitz beschriftet sein, wenn man das Rad der Geschichte 76 Jahre zurückdreht. Bis zum 31.März 1928 gehörte der Ort nämlich zum Königreich bzw. zum Land Sachsen. Seine Verwaltung war bis zu diesem Tag in der ca. 40 km entfernten Kreisstadt Werdau, vorher sogar im noch weiter weg liegenden Borna. Auch bei dem Zusammenschluss der sieben Kleinstaaten Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Gotha, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt und dem Volksstaat Reuß (vorher Reuß ältere und Reuß jüngere Linie) am 01.Mai 1920 zum Land Thüringen blieb Liebschwitz mit den anderen Orten der Enklave noch weitere acht Jahre Sachsen politisch zugehörig. Am 01.April 1928 wurde in der historischen Liebschwitzer Gaststätte „Apfelweinschänke“ (früher „Goldener Apfel“) ein Staatsvertrag zwischen den Ländern Thüringen und Sachsen abgeschlossen. Im Ergebnis dieses Vertrages bekam Sachsen 1.115 Hektar und 1,4 Ar Fläche mit 4.849 Einwohnern. Thüringen erhielt im Gegenzug von Sachsen 1.778 Hektar und 6,6 Ar Fläche mit 2.899 Einwohnern. Damit kam u.a. auch die Sächsische Enklave um Liebschwitz (auch Ziegenhierdsches Ländchen genannt) mit Liebschwitz als Hauptort und den Orten Taubenpreskeln, Lietzsch, Niebra, Pösneck und ein großer Teil von Lengefeld zu Thüringen. In einem Reichsgesetz wurde der Staatsakt bestätigt.
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Den Einwohnern den Enklave Liebschwitz ist fast ein ganzes Jahrzehnt nach der Revolution noch zugemutet worden, ihre politischen Interessen im Freistaat Sachsen zu vertreten, während dieser Gebietsteil wirtschaftlich ganz in Thüringen aufgegangen war. Tagelange Versäumnisse wegen Nichtigkeiten waren nichts Seltenes, wenn Einwohner dieser Gemeinden die zustndige Amtshauptmannschaft Werdau aufsuchen mussten. Das hatte nun aufgehört.
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Nur weniges weist heute noch auf diese sächsische Enklave hin. Doch auch die Sächsische Bahnlinie mit dem Sächsischen Bahnhof in Gera sind damit historisch verwurzelt. Auch die „Sachsenstraße“ in Taubenpreskeln, die Gartenanlage „Sachsengrenze“, die ehemalige Gaststätte „Dreiherrnstein“ zwischen Zwötzen und Kaimberg und eine Vielzahl historischer Grenzsteine sind Relikte aus dieser Sachsenzeit.
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Stefan Bauch
Ortschronist von Liebschwitz